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Staat, Verwaltung und Verwaltungsrecht: Italien


Anno pubblicazione: 2010

Categoria: Contributo in Volume

Lingua: ger

Rivista/Libro: Handbuch Jus Publicum Europaeum. Bd. III: Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen

ISBN: 9783811498082

Editore: C.F. Müller

Luogo di pubblicazione: HEIDELBERG

Volume: 3

Pagina iniziale: 149

Pagina finale: 185

Abstract: Die öffentlichen Verwaltungen der Staaten vor der Einigung waren Einheiten von geringer Größe, geschaffen, um einige wenige Funktionen wahrzunehmen, vor allem solche im Zusammenhang mit der „öffentlichen Ordnung“. Die Institutionen des zukünftigen Königreichs Italien wurden natürlich maßgeblich von den Institutionen des Königreichs Sardinien beeinflusst, die Mitte des 19. Jahrhunderts reformiert worden waren. Der Umfang der Verwaltungsaufgaben und der öffentlichen Institutionen blieb auch nach der nationalen Einigung relativ begrenzt. Es gab nur etwa 50000 öffentliche Bedienstete. Die Beziehungen zwischen der Verwaltung und den Bürgern beschränkten sich weitgehend auf Polizeikontrollen und Besteuerung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte das Erfordernis, die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln und die nationale Einigung auch unter wirtschaftlichen und sozialen Aspekten zu verwirklichen, zu einem Zuwachs an Verwaltungsaufgaben und zu einer größeren Komplexität von Verwaltungsorganisation und Verwaltungsgesetzgebung. Die wichtigsten Entwicklungen der Jahrzehnte nach 1861 sowohl im Bereich der Verwaltungsgesetzgebung als auch in demjenigen der Verwaltungsorganisation und des Personalwesens sind durch die nationale Einigung verursacht. In der italienischen Verwaltungsgeschichte gab es verschiedene Phasen, in denen wichtige Verwaltungsreformen durchgeführt wurden, welche die Entwicklung der Verwaltung und des Verwaltungsrechts deutlich vorantrieben. Hierzu gehört ohne Frage die unter dem Namen von Francesco Crispi (1819-1901), der zwischen 1887 und 1896 mehrmals Präsident des Ministerrates war, bekannte Ära. Insgesamt veränderte die Gesetzgebung Crispis „merklich die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft“, da sie dem Staat nicht mehr nur die Aufsicht über die privaten Tätigkeiten zuwies, sondern auch „den Schutz, die Kontrolle, die Regelung, die Förderung und bisweilen auch die politische Ausrichtung“. Während Francesco Crispi vor allem als Gesetzgeber in Erscheinung trat, war Giovanni Giolitti (1842-1928), der mehrmals im Laufe von dreißig Jahren (insbesondere in den ersten fünfzehn Jahren des 20. Jahrhunderts) Präsident des Ministerrates war, ein gründlicher Kenner des Verwaltungsapparats. Er war nicht nur im Bereich der Gesetzgebung tätig, sondern auch in der Verwaltung. In der Zeit des Faschismus gab es eine intensive gesetzgeberische Tätigkeit, die sowohl die Regelung neuer Bereiche als auch die Neuordnung von bereits normierten Gebieten betraf. Die republikanische Verfassung zielte auf einen Bruch mit der Periode des Faschismus, was ihr durchaus gelang. Die republikanische Verfassung zielte auf einen Bruch mit der Periode des Faschismus, was ihr durchaus gelang. Die öffentliche Verwaltung und das Verwaltungsrecht standen allerdings nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Verfassunggebers; er widmete sich vor allem der Struktur der Verfassung. Mittel- und langfristig wurden allerdings die Wirkungen der Verfassungsprinzipen spürbar. Die Mitte des 20. Jahrhunderts markierte gleichsam den Wendepunkt für das Verfassungssystem und die Konzeption des Verwaltungsrechts, das sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts graduell von seinen autoritären Zügen und Privilegien frei machte und sich vor allem als ein System der Garantien für die Bürger gegenüber der öffentlichen Verwaltung darstellte. Die Unterschiede des Verwaltungsrechts zum Privatrecht nahmen ab, Überlagerungen und gar Verschmelzungen von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Regeln nahmen zu. Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts war eine Periode intensiver Verwaltungsreformen, die alle wesentlichen Bereiche des Verwaltungsrechts betrafen. Auch besteht über seine wesentlichen Eigenschaften kein Einvernehmen. Mit den bekannten Worten von Jean Rivero ist nicht klar, welches das „Kriterium der Identifizierung“ des Verwaltungsrechts ist.